28.07.19 Unfaire Bußgeldverfahren

Verfassungsgericht des Saarland stellt sich auf die Seite der Betroffenen

In den letzten Jahren hat auch bei der Messung von Geschwindigkeitsüberschreitungen der Fortschritt bei den Messgeräten Einzug gehalten. Die Geräte sind digital geworden, es muss kein Film mehr eingelegt werden, wobei die Messungen teilweise mit Laserstrahlen vorgenommen werden. Bei der Erzielung des Messwertes für die gefahrene Geschwindigkeit wird oftmals eine Vielzahl von Messungen auf größerer Entfernung vorgenommen ohne dass der Verkehrsteilnehmer dies merkt und dann ein Messwert ermittelt, welcher zur Auslösung eines Fotos führt. Welche der vielen hunderten von Messungen zur Ermittlung des Messwertes geführt hat, lässt sich im Nachhinein bislang bei einer Vielzahl der Messgeräte nicht nachvollziehen. Es handelt sich hierbei um die sogenannten Rohmessdaten. Diese allein lassen erkennen, ob die Messung korrekt war, oder nicht. Wenn ein Betroffener gegen einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung Einspruch einlegt und die Messung überprüfen lassen will, werden ihm nur ein paar dieser Messwerte zur Verfügung gestellt. Ein Sachverständiger kann daher das Messergebnis und damit den Tatvorwurf nur eingeschränkt überprüfen. Dies ist für alle Verkehrsteilnehmer äußerst problematisch, wenn sie sich einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht bewusst sind. Den Gerichten war dies bislang immer egal. Es wurde darauf verwiesen, dass es sich bei den Geräten um Messgeräte handelt, die zugelassen sind und ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren durchführen. Zweifel an der Messung wurden damit immer wieder abgewiesen. Nunmehr erstmalig hat das Verfassungsgericht des Saarlandes mit Datum vom 05.07.2019 Az.: LV 7/17 entschieden, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorliegt und eine wirksame Verteidigung unmöglich gemacht wird, wenn diese Rohmessdaten zur Überprüfung des Tatvorwurfes nicht vorgelegt werden. Von der eingelegten Landesverfassungsentscheidung war ein Messgerät des Types TraffiStar S 350 betroffen, welches diese Rohmessdaten nicht aufzeichnet. Betroffen von dieser Entscheidung ist jedoch auch eine Vielzahl von anderen Geräten. Wie die anderen Gerichte mit der Entscheidung des Landesverfassungsgericht umgehen, ist derzeit offen. Es kann daher nur empfohlen werden, sich bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung nach wie vor durch einen auf das Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt vertreten zu lassen um auch an die Rohmessdaten heranzukommen, die zur Überprüfung des Tatvorwurfes notwendig sind oder eine Einstellung des Bußgeldverfahrens wegen fehlender Überprüfbarkeit erwirken zu können.

Ralf Breywisch
Rechtsanwalt u.
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV