08.01.24 Was bedeutet das Werkstattrisiko nach einem Unfall?

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall ist es für die Geschädigten oftmals schwer, die und genau zu wissen, was darf man und was muss man tun.

Verwirrend für die Geschädigten ist es, wenn nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und entsprechender Reparatur die Versicherung nach Vorlage der Reparaturrechnung, nur ein Teil der Reparaturkosten übernehmen will. Einen solchen Fall hatte das Amtsgericht Bonn, Az. 112 C 61/23 im Urteil vom 11.08.23 zu entscheiden. Dort hatte der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall ein Sachverständigengutachten eingeholt und repariert. Die gegnerische Versicherung zog von den Reparaturkosten einen Betrag i.H.v. 357,88 € ab, die vermeintlich nicht erforderlich gewesen sein sollen. Das Amtsgericht entschied im Sinne des Geschädigten, dass dieser die entstandenen Reparaturkosten vollumfänglich vom Schädiger ersetzt verlangen darf, da ihm kein Auswahlermessen bei der Beauftragung der Fachwerkstatt traf. Selbst wenn hierdurch resultierende Reparaturkosten aufgrund unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise als Mehrkosten entstehen, sind diese dem Geschädigten zu ersetzen. Ebenso im Sinne des Geschädigten entschied das Amtsgericht Bamberg mit Urteil vom 16.05.23, Az. 0102 C1471/22. In dem dortigen Fall wurde nach einem Parkplatzunfall auch ein Gutachten eingeholt und repariert. Auch dort regulierte die Versicherung die Rechnung von über 8000 € nur anteilig und zog verschiedene Rechnungspositionen ab. Hierzu gehörten Desinfektionskosten, Reinigungskosten, Kosten einer Probefahrt, Kosten für die Instandsetzung der hinteren linken Seitenwand, sowie die Anfertigung eines Farbmusterbleches und Materialkosten. Das Gericht gab der Klage statt und verwies auf die Entscheidung des BGH vom 26.04.22 Az. VI ZR 147/22. Danach sind selbst die Kosten erstattungsfähig, die bei unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt anfallen. Das Risiko, eine Werkstatt ausgesucht zu haben, die nicht zwingend den wirtschaftlichsten Weg der Reparatur nimmt, wird als Werkstattrisiko bezeichnet. Diese liegt grundsätzlich immer erst einmal beim Schädiger und nicht beim Geschädigten.

Zur Vermeidung von Rechtsnachteilen nach einem Verkehrsunfall sollte daher immer anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, wobei die hierdurch anfallenden Kosten bei einem unverschuldeten Unfall gleichfalls von der Gegenseite zu tragen sind.

 

Ralf Breywisch
Rechtsanwalt u.
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV