21.09.2020 Familie darf gestohlenes Wohnmobil behalten

Richtungsweisende Entscheidung für die Durchführung von Probefahrten im Autohaus
BGH-Urteil vom 18.09.2020 – Az.: V ZR 8/19


Die Mercedes V-Klasse im Wert von 52.900 € war bei einer unbegleiteten Probefahrt von einem nicht gefassten Täter gestohlen worden und danach an ein Ehepaar aus Hessen verkauft worden. Im Bürgerlichen Gesetzbuch steht, man kann kein Eigentum an einer Sache erwerben, die dem Eigentümer abhandengekommen ist. Dies ist auch nicht möglich, wenn man die Sache im „guten Glauben“ gekauft hat und somit auch nichts vom vorherigen Diebstahl wusste, wie im entschiedenen Fall. Weil das Wohnmobil aber aus einem Autohaus stammt, welches durch einen Profi reingelegt worden war, musste der BGH entscheiden, ob es ein „Abhandenkommen“ darstellt, wenn das Fahrzeug einem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine unbegleitete Probefahrt überlassen wird und von diesem nicht zurückgegeben wird. Im entschiedenen Fall gab sich der Kaufinteressentals vermeintlich seriös aus und legte für die Probefahrt einen Pass und Führerschein sowie eine Meldebestätigung in Deutschland vor, welche sich später als gefälscht herausstellten. Der Verkäufer des Autohauses übergab dem Kaufinteressenten das Fahrzeug mit roten Nummernschildern, einer Kopie der Zulassung, dem Fahrtenbuch und dem Schlüssel für die angeblich 1 Stunde dauernde unbegleitete Probefahrt. Der Kaufinteressent kam jedoch von der Probefahrt nicht zurück. Er verkaufte das Wohnmobil vielmehr über das Internet an das Ehepaar zu einem Preis von 46.500 € und damit zwar günstig, aber auch nicht zu preiswert um die Käufer misstrauisch zu machen. An das Ehepaar wurden die Fahrzeugpapiere übergeben und das Geld in bar an den Verkäufer ausgehändigt. Die Fahrzeugpapiere stellten sich hinterher gleichfalls als gefälscht heraus. Das Autohaus klagte nunmehr auf Herausgabe des Fahrzeugs, da ein gutgläubiger Erwerb nicht möglich sei. Das Landgericht Marburg wies die Klage in erster Instanz ab. Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied dagegen im Berufungsverfahren zugunsten des Autohauses. Der BGH in letzter Instanz entschied jedoch für die Käufer. Bei einem unbegleiteten Fahren gibt das Autohaus die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug auf, was kein „Abhandenkommen“ im Sinne des Gesetzes darstellt, weshalb ein gutgläubiger Erwerb danach grundsätzlich nicht ausgeschlossen.

Diese Entscheidung dürfte für die Durchführung von Probefahrten in allen Autohäusern Beachtung finden.

Ralf Breywisch
Rechtsanwalt u.
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV