06.06.21 Vollkasko beim unverschuldeten Unfall?

Der unverschuldete Unfall hat mit der eigene Vollkaskoversicherung nichts zu tun, oder doch?

Die Vollkaskoversicherung ist dafür da, Schäden am eigenen Fahrzeug zu übernehmen, die der Halter des Fahrzeugs selbst verursacht hat. Für Schäden, die das Fahrzeug bei anderen Verkehrsteilnehmern verursacht hat, ist die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (KH) vorhanden. Gerät man in einen unverschuldeten Unfall, ist daher grundsätzlich die KH des unfallverursachenden Fahrzeugs eintrittspflichtig. Die eigene Vollkaskoversicherung hat mit der Schadensregulierung erst einmal nichts zu tun.
In den letzten Jahren haben die KH immer wieder versucht, die Schadenszahlungen zu verringern. So wurden die Mietwagenkosten oder der Nutzungsausfall lediglich für ein paar Tage bezahlt anstatt den gesamten Ausfallzeitraum vom Unfalltag bis zum Ende der Reparatur, wenn das Fahrzeug unfallbedingt nicht verkehrssicher ist. Dies spart den KH mehrere hundert Euros pro Schadensfall. Hierzu wurde dann mitgeteilt, der Geschädigte hätte doch seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen können, wenn er aus eigenen wirtschaftlichen Mitteln nicht dazu in der Lage gewesen ist, den Schaden vorzufinanzieren. Das Fahrzeug hätte somit schon viel früher repariert werden können. Hierdurch wäre dann die Ausfallzeit verkürzt worden, weshalb die KH nur ein paar Tage der Ausfallzeit ersetze. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 17.11.2020 Az.: VI ZR 569/19 diesem Gebaren der KH ein Ende bereitet. Der BGH hat ganz klar entschieden, dass der Geschädigte einen Anspruch auf Erstattung der weiteren 27 Tage Nutzungsausfall neben den bereits gezahlten 15 Tagen hat und er nicht dazu verpflichtet war, seine Vollkaskoversicherung in Anspruch zu nehmen. Der Geschädigte ist grundsätzlich gem. § 254 Abs. 2 BGB nicht dazu verpflichtet, einen Schaden vorzufinanzieren. Die Inanspruchnahme der Kaskoversicherung ist dem Geschädigten vielmehr wegen der bestehenden möglichen Folgen nicht zumutbar. Trotz dieser sehr deutlichen Worte kürzen die Versicherer immer noch mit denselben Argumenten die Mietwagen- und Nutzungsausfallkosten. Es kann daher jedem Unfallgeschädigten nur angeraten werden, sich nach einem Unfall unverzüglich fachanwaltlicher Hilfe zu bedienen, um unberechtigten Kürzungen der Versicherer wirksam entgegen treten zu können. Das Gute daran, die Anwaltskosten beim unverschuldeten Unfall muss die Versicherung ebenfalls übernehmen.

Ralf Breywisch
Rechtsanwalt u.
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV