Muss die Autoversicherung auch bei einer Alkoholfahrt mit 2,7 Promille zahlen?
Versicherungen werden abgeschlossen, um finanzielle Risiken abfangen zu können. In den Versicherungsbedingungen ist festgelegt, wofür welche Beträge im Schadensfall zu zahlen sind und was der Versicherte dafür bezahlen muss. In den Versicherungsbedingungen steht jedoch auch, unterwelchen Voraussetzungen eine Versicherung nicht oder nur einen Teil zahlen muss oder auch gewährte Leistungen zurückfordern kann. Insbesondere bei der Verletzung von so genannten Obliegenheiten sind die Leistungen der Versicherer eingeschränkt. Bei Autoversicherungen gehört es zu den Klassikern der Obliegenheiten des Versicherten, keine Unfallflucht zu begehen oder ein Fahrzeug mit einem strafbaren Alkoholeinfluss zu führen. Geschieht dies trotzdem, ist die Versicherung zur Kürzung ihrer Leistungen berechtigt, bzw. darf die Leistung vollständig verweigern. Wichtig ist hierbei, dass zum Beispiel die Alkoholisierung auch ursächlich für den Unfall gewesen ist. Nicht geregelt ist die Höhe einer vorzunehmenden Leistungskürzung. Dies ist im Einzelfall zu entscheiden oder durch die Gerichte zu bestimmen.
Mit dem Grundsatzurteil vom 22.06.2011 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Leistungskürzungsrecht der Versicherung gem. § 81 Abs. 2 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles ausscheidet, wenn der Versicherte unzurechnungsfähig war. In der Entscheidung des BGH (Az.: IV ZR 225/10) ging es um die Frage, ob eine Kaskoversicherung ihrem Versicherten den Schaden an seinem Auto zu ersetzen hat, oder eine Leistungskürzung auf Null vornehmen darf, wenn der Versicherte mit einer Alkoholisierung von 2,7 Promille auf einer leichten Linkskurve von der Fahrbahn abkommt und verunfallt. In den unteren Instanzen wurde die Klage des Versicherten auf vollständige Zahlung des Schadensbetrages abzüglich der Selbstbeteiligung jeweils abgewiesen.
Der BGH sah in diesem Fall zwar Indizien dafür, dass der Versicherte wegen seiner Alkoholisierung zum Zeitpunkt des Unfalls unzurechnungsfähig gewesen war, jedoch hatten die Gerichte vorher nicht ermittelt, ob der Versicherte möglicherweise schon vor dem Unfall grob fahrlässig nicht erkannt hat, dass er im Zustand der Unzurechenbarkeit einen Versicherungsfall herbeiführen wird. In diesem Fall ist eine Leistungskürzung nicht ausgeschlossen. Wegen der Vielzahl von Einzelfällen und des sehr breiten Spektrums der Leistungskürzungen empfiehlt es sich immer, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Rechtsanwalt Ralf Breywisch
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV